Mit der Veröffentlichung von The Elder Scrolls IV: Oblivion Remastered im Jahr 2025 hat Bethesda einen Klassiker der Rollenspielgeschichte in die Gegenwart geholt – behutsam überarbeitet, technisch modernisiert und für neue wie alte Fans gleichermaßen zugänglich gemacht. Doch wie gut funktioniert ein Spiel, das 2006 Maßstäbe setzte, heute in einer Welt, die von Open-World-Giganten wie Elden Ring, Baldur’s Gate 3 oder Cyberpunk 2077 geprägt ist? Diese Review geht tief: Wir analysieren nicht nur Inhalt und Gameplay, sondern beleuchten auch die Stärken und Schwächen des Remasters und ziehen ein fundiertes Fazit.
Inhalt
Oblivion Remastered bleibt inhaltlich dem Original treu – und das ist gut so. Die Geschichte beginnt in einem düsteren Kerker unter der kaiserlichen Stadt. Der regierende Kaiser Uriel Septim VII (im Original eindrucksvoll gesprochen von Patrick Stewart, dessen neu eingesprochene Dialoge im Remaster noch emotionaler wirken) trifft dort auf den Spielercharakter. Was wie ein Zufall erscheint, entpuppt sich schnell als Schicksal: Die Thronfolge ist unterbrochen, Tamriel steht vor dem Untergang, und dunkle Mächte aus der Dimension Oblivion brechen durch mystische Portale in die Welt ein. Die Hauptgeschichte dreht sich um das Wiederherstellen der kaiserlichen Blutlinie und den Kampf gegen den dämonischen Prinzen Mehrunes Dagon. Im Gegensatz zu moderneren Open-World-Geschichten, die oft in Grautönen erzählt werden, präsentiert Oblivion ein klassisch-episches Gut-gegen-Böse-Szenario – dafür aber mit großem erzählerischem Gewicht und zahlreichen religiösen, philosophischen und moralischen Untertönen. Cyrodiil, das Herzstück des Kaiserreichs, ist nicht einfach nur Kulisse. Es ist eine Welt voller Leben, Konflikte und Geschichten. Im Remaster wurden Städte, Landschaften und Ruinen nicht nur grafisch überarbeitet, sondern auch in ihrer atmosphärischen Wirkung deutlich verstärkt. Der dichte Nebel im Großforst, das melancholische Licht in der Ayleiden-Ruine oder das brodelnde Feuer in den Ebenen Oblivions – all das wirkt heute eindringlicher denn je. Jede Region Cyrodiils hat ihre eigene Kultur, Architektur und politische Lage. Die Stadt Chorrol wirkt konservativ und wohlhabend, während Bravil von Armut und Magie geprägt ist. Diese Vielfalt zeigt sich nicht nur visuell, sondern auch in den Quests, Dialekten und NPCs. Besonders hervorzuheben sind die Gildenquests – sie wurden für das Remaster teilweise überarbeitet und um neue Dialogoptionen sowie optionale Missionspfade erweitert. Die Magiergilde bietet eine detektivartige Handlung rund um Verrat und gefährliche Artefakte. Die Dunkle Bruderschaft hingegen erzählt eine dichte, düstere Geschichte über Auftragsmorde, Loyalität und Intrigen – sie gehört bis heute zu den besten Fraktions-Storylines der Rollenspielgeschichte. Durch die Vielzahl an Nebenquests ergibt sich ein lebendiges, glaubwürdiges Bild einer Welt im Wandel – ein Aspekt, den Oblivion Remastered trotz seines Alters eindrucksvoll in die Gegenwart trägt.
Grafik
Eine der größten Erwartungen an Oblivion Remastered richtete sich auf die grafische Umsetzung. Schließlich war das Original von 2006 für damalige Verhältnisse ein technisches Vorzeigespiel – mit riesiger Sichtweite, detaillierten Umgebungen und für die Zeit beeindruckenden Lichteffekten. Im Jahr 2025 muss sich ein Remaster an ganz anderen Maßstäben messen lassen. Die gute Nachricht: Oblivion Remastered erfüllt diese Erwartungen größtenteils – und weckt dabei gekonnt nostalgische Gefühle. Die auffälligste Verbesserung zeigt sich in den Texturen. Gebäude, Landschaften, Kreaturen und Rüstungen wurden vollständig neu modelliert oder stark überarbeitet. Während im Original manche Ruine oder Burgmauer aus heutiger Sicht fast klobig wirkte, glänzen diese im Remaster mit fein ziselierten Details, verwitterten Oberflächen und realistisch wirkenden Materialien. Besonders beeindruckend sind die Charaktermodelle – auch wenn sie nicht ganz das Niveau aktueller AAA-Titel erreichen, wirken sie deutlich natürlicher als die „Wachsfiguren“ des Originals. Das Remaster nutzt hochaufgelöste Texturpakete (bis zu 8K auf dem PC) und erlaubt optional skalierbare Grafikeinstellungen für Detailtiefe, LOD, Schatten, Partikeleffekte und Reflexionen. Damit lässt sich die Optik sowohl auf High-End-Hardware als auch auf leistungsschwächeren Geräten gut anpassen.
Licht, Schatten und Wettereffekte
Ein echter Sprung ist im Bereich der Beleuchtung gelungen. Durch Raytracing-Unterstützung (wahlweise aktivierbar) entstehen realistische Schattenwürfe, Spiegelungen in Wasseroberflächen und eindrucksvolle Lichtstimmungen bei Sonnenaufgang, Fackelschein oder Magieeffekten. Die Wälder wirken durch volumetrisches Licht lebendiger denn je, und selbst düstere Verliese gewinnen durch das neue Beleuchtungssystem an Atmosphäre und Tiefe. Auch das Wetter wurde überarbeitet: Regen prasselt dynamisch auf Oberflächen, Nebel zieht über Sümpfe, Blätter tanzen im Wind – das alles macht die Welt immersiver, glaubwürdiger und emotionaler. Neben statischen Verbesserungen bietet das Remaster auch dynamische Effekte, die das Spielgefühl stark beeinflussen. Dazu zählen Partikeleffekte bei Magie, Blut- und Einschlaganimationen im Kampf sowie detailliertere Feuer- und Explosionseffekte in der Oblivion-Dimension. Auch Tiere und Kreaturen bewegen sich dank überarbeiteter Skelett-Animationen flüssiger. Besonders hervorzuheben ist der neue Tag-Nacht-Zyklus: Die Beleuchtung verändert sich in Echtzeit, basierend auf Sonnenstand, Wolkendecke und Umgebung. Ein Sonnenuntergang in den Goldenen Ebenen von Skingrad ist heute ein visuelles Erlebnis – damals war es eher ein technischer Kompromiss. Wichtig: Bethesda hat sich bewusst gegen einen völligen Realismus entschieden. Oblivion Remastered bleibt seiner künstlerischen Linie treu: leuchtende Farben, überzeichnete Architektur, klare Kontraste. Das Spiel wirkt damit weniger grau und gedämpft als viele moderne Fantasy-Welten – und genau darin liegt sein Charme. Es ist kein Versuch, fotorealistisch zu wirken, sondern ein Versuch, die ursprüngliche Vision durch neue Technik zum Leben zu erwecken.
Gameplay
Die Steuerung wurde behutsam angepasst, bleibt aber dem Geist des Originals treu. Bewegungen sind flüssiger, Trefferfeedback ist deutlicher und das Menüsystem wurde von Grund auf neu gestaltet. Besonders PC-Spieler profitieren von einer verbesserten Maus- und Tastatursteuerung sowie konfigurierbaren Hotkeys. Ein Highlight ist das neue Schnellreisesystem, das jetzt auch dynamische Ereignisse wie Überfälle, Begegnungen oder Wetterbedingungen integriert. Damit werden Reisen interessanter, ohne die klassische "Sofort-Teleport"-Mechanik vollständig zu streichen. Das Kampfsystem ist im Vergleich zu Skyrim oder Morrowind ein Mittelweg: etwas taktischer als der Nachfolger, aber dynamischer als der Vorgänger. Neue Animationen und verbesserte Trefferauswertung machen Kämpfe flüssiger, aber auch anspruchsvoller – besonders auf höheren Schwierigkeitsgraden. Magie fühlt sich im Remaster wesentlich kraftvoller an. Zauber haben mehr visuelles Gewicht, lassen sich im neuen Zauberbuch einfacher kombinieren und können nun sogar im Flug angepasst werden – ein Feature, das kreative Magier sehr schätzen werden. Alchemie wurde aufpoliert, inklusive grafischer Darstellung von Tränken und Wirkstoffen. Das Levelsystem – damals revolutionär, heute eher umstritten – wurde modernisiert. Die ursprüngliche Methode, durch Fähigkeitennutzung zu leveln, bleibt erhalten, aber neue Lernoptionen, Tutorials und eine klarere Progressionsanzeige helfen Einsteigern. Wer will, kann sogar einen „automatischen Levelmodus“ aktivieren, der Stats basierend auf Spielstil verbessert. Das Menüsystem wurde grundlegend überarbeitet – endlich ist es nicht mehr ein Konsolenmenü auf dem PC. Inventarverwaltung, Kartenanzeige, Quest-Log und Charakterbildschirm sind übersichtlich, farblich abgestimmt und frei skalierbar. Das neue Kompasssystem mit dynamischer Markierung erleichtert die Orientierung, ohne die Immersion zu zerstören. Zudem bietet Oblivion Remastered Barrierefreiheitsoptionen wie Farbfilter, Untertitel mit Hintergrund, adaptive Steuerung und Sprachausgabe für Menüs – ein längst überfälliger Schritt.
Kritik
Trotz vieler Verbesserungen offenbart das Remaster einige Schwächen, die entweder aus der alten Design-DNA stammen oder durch die technische Umsetzung bedingt sind. So sind uns beim Gameplay einige Dinge aufgefallen. Dies ist zum einen der Altlasten des Originals. Ein großer Kritikpunkt bleibt die generische Weltstruktur vieler Dungeons. Obwohl einige Hauptverliese neugestaltet wurden, bleibt ein Großteil der Höhlen und Ruinen relativ ähnlich aufgebaut – repetitiv, symmetrisch und oft ohne erzählerische Tiefe. Das fällt heute stärker ins Gewicht, wo Spiele wie Baldur’s Gate 3 oder Dragon’s Dogma II auf dynamisches Quest- und Dungeon-Design setzen. Auch das Dialogsystem ist weiterhin starr. Zwar wurden Gesichtsanimationen verbessert, aber die meisten Konversationen bestehen aus einfachen Auswahlfeldern und schlichten Monologen. Emotionale Tiefe kommt selten auf – vor allem, wenn man die lebendigen Gespräche moderner Rollenspiele zum Vergleich heranzieht.
Technische Probleme
Zum Release meldeten viele Spieler auf Konsolen kleinere Fehler: Clipping, LOD-Probleme (sichtbare Nachladezonen), festhängende NPCs oder Quests, die nicht korrekt abgeschlossen werden konnten. Bethesda hat bereits mehrere Patches veröffentlicht, aber ein völlig bugfreies Erlebnis ist Oblivion Remastered auch im Juni 2025 noch nicht. Auch das Raytracing-Feature sorgte für Framerate-Einbrüche auf älteren Grafikkarten – eine optionale Skalierungsfunktion hilft, ist aber noch nicht perfekt optimiert. Hinzu kommt, dass das Game nicht auf der deutschen Sprache existiert. Es gibt lediglich Untertitel, aber wer möchte denn nicht die alten legendären Synchronsprecher des Spiels hören?
Fazit
The Elder Scrolls IV: Oblivion Remastered ist ein aufwändig gestaltetes Denkmal für eines der einflussreichsten Rollenspiele aller Zeiten. Es zeigt, wie tiefgehend und immersiv ein gut konzipiertes RPG auch Jahrzehnte später noch sein kann – vorausgesetzt, man akzeptiert seinen ursprünglichen Kern. Für Nostalgiker ist dieses Remaster ein Geschenk. Für Neulinge ist es ein Blick in die Geschichte des Genres – mit zeitgemäßer Technik, aber einem Spielgefühl, das bewusst „oldschool“ bleibt. Wer moderne Komfortsysteme, dynamische Erzählungen und filmreife Dialoge erwartet, wird stellenweise enttäuscht. Wer sich jedoch auf das besondere Tempo, die Tiefe und das Entdecken einlassen kann, erlebt eine Welt, die in ihrer Gestaltung, Freiheit und Atmosphäre bis heute einzigartig ist.
Wir geben dem Game daher eine 8/10.